Schritte im Regen

3. April 2021

Gleich zum Frühstück eine Luxus-Eierspeis gemacht, mit Zwiebeln und Tomaten und Grana Padano. Da es in den letzten Wochen morgens immer nur Joghurt gab, verwundert das offenbar meinen Magen, er grummelt und knurrt wie ein grantiger alter Dackel.

Danach irgendwie keine richtige Lust auf irgendwas. Hat auch seine Vorteile, da kann man gleich die Küche saubermachen, ohne das Gefühl zu haben, dass man etwas verpasst. Ein paar Websites upgedatet, ein paar Mails geschrieben, immer unfroher geworden dabei. Zum Rausgehen auch keine rechte Lust, aber vorgenommen ist vorgenommen, auch wenn es ein Weilchen braucht, bis ich in die Schuhe komme.

Als ich aus der Tür gehe, regnet es in kleinen Tropfen, die trotz der angeblichen 8 Grad so wirkten, als würden sie gleich Schnee werden wollen. Ich gehe über den Matzleinsdorfer Platz, wo ja derzeit keine Züge stehen bleiben, die Baustelle bleibt aber unspektakulär. Am Gürtel kommt gerade wieder die Sonne heraus. Dann Richtung Bahnhof und daran vorbei.

Die Ecken und Kurven des neuen Viertels faszinieren mich weiterhin, zudem frage ich mich, ob die Leute jemals drüber nachdenken, über welchen dünnen Betonpfeilern sie wohnen.

Hinterm Arsenal bauen sich dunkle Wolken auf, derweil grünt und blüht aber alles mögliche in der Sonne.

Die Star-Trek-Brücke lasse ich heute rechts liegen (darunter erste Farbkleckse) und gehe ein Stück weiter stadtauswärts, wo unvermittelt orange Industrie-Architektur herumsteht.

Als ich schon denke, umkehren zu müssen, kommt doch noch ein Brückerl über die Bahn. Das geht aber in seltsame Gegenden. Bin schon nicht mehr sicher, ob ich auf diese Art irgendwo hin komme, aber der enge Weg an der Mauer entlang gibt plötzlich den Blick auf eine halbfertige Brücke frei.

Das schwarze Gewölk kommt näher und holt mich schließlich regnend ein. Die Jacke ist wasserdicht, die Hose aber nicht, und der Wind wird auch immer kälter. Vor dem schlimmsten Guss flüchte ich unter ein Dach. Als es trockener wird, friere ich trotzdem. Beschließe deshalb, den Bahnhof zu durchqueren anstatt drum rum zu laufen, damit die klammen Finger wieder wärmer werden. Gleich hinter der Eingangstür liegt etwas dunkelblaues, eine Kappe, sehe ich auf den zweiten Blick und stolpere dann fast beim Versuch, nicht in die rote Lacke zu treten, die daneben verdächtig blutig aussieht. Ein paar Meter weiter eine zweite Kappe, eine FFP2-Maske liegt auch auf dem Boden, dazwischen noch mehr Blutspritzer. Ein Putztrupp eilt gerade herbei. Was immer passiert ist, muss gerade eben passiert sein, erzählt das noch reinrote Blut.

Irgendwie wird mir davon kalt und sehr sehr leer, es kann nichts allzu schlimmes passiert sein, so viel Blut war es dann auch wieder nicht, trotzdem. Die Stadt bleibt grau, der restliche Heimweg inwendig und auswendig fremdkühl, ich bin froh, mein bröckelndes aber dennoch heimeliges Elfenbeintürmchen zu erreichen.

Das Bier des Tages

Das Wicked Awesome (Hazy) IPA aus der Nickel Brook Brewing Co. (Ontario, Kanada) dufted exotisch mangofruchtig und zitrushopfig. Auf der Zunge hält es exakt, was der Duft verspricht. Trocken trotz fruchtig-frischen Aromas, übrig bleibt ein schöner, heller Hopfen am Gaumen. Ehrlich, erfrischend und straight. Leider etwas wenig von der feinperlig-sämigen Kohlensäure, sonst wäre es ein Instant Favorite geworden.

Zu trinken an einem klassischen italienischen Sandstrand in der Vorsaison, im Liegestuhl, als Aperitivo vor einem leichten mediterranen Mittagessen.


Bier-Übersicht

Als es ans Kochen geht, verabschiedet sich die letzte Lampe in der Küche mit einem leisen, seufzenden „pouf“. Das stellt mich vor ein doppeltes Problem: Erstens ist das Ding so eine Halogenkonstruktion, deren Lamperln ich immer schon mal nachkaufen wollte, aber nie tatsächlich nachgekauft habe. Zweitens ist die kollektive Leiter, die Jahr und Tag am Dachbodenaufgang lehnte, seit einer Woche nicht mehr dort. Also selbst wenn ich ein Lamperl hätte, käme ich nicht in die nötige Höhe, um es auszutauschen. Versuche mit Nachttisch- und Sofalampe bringen auch kein sinnvolles Arbeitslicht in die Küche, und damit entfallen abendliche Kochabenteuer ebenso wie die geplante Henna-Session.

Kartoffeln kochen sich auch im Finstern, und im Kühlschrank ist zum Glück noch Licht, deshalb schlemme ich die (extrem köstliche!) Lachsforelle mit Butterkartofferln anstatt dem Rindviech, das ich dann wohl morgen bei Tageslicht zubereiten werde.

Das Strickrätsel von gestern ist bereits im Bier-Foto aufgelöst: Wetter-Optimistisch hatte ich das halbvollendete Leinen-Strickkleid aus dem Winterschlaf geholt. Heute werde ich dann aber wohl doch eher die warme Jacke fertig machen, laut Wetterbericht wird man sie die nächsten zehn Tage ja noch brauchen können.

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