Leonard Cohen und der unendliche Moment

11. November 2016

Jetzt hat Leonard Cohen diese Welt auch verlassen. Aber seine Musik bleibt. Und der Moment bleibt auch.

1993 wars, an meinem Geburtstag, nachts alleine an einem Strand auf Elba. Im Walkman Leonard Cohen, dazu das Wellenrauschen und ein bisschen angenehm kühler Nachtwind. Ich war ein bisschen beschwipst und so intensiv traurig-glücklich, wie man nur in unendlichen Momenten sein kann. Dann dieser Satz.

I needed so much to have nothing to touch.

Und ich dachte, nie ist mir jemand näher gewesen als mit dieser Zeile, und dann kam noch:

here’s to the few
Who forgive what you do
And the fewer who don’t even care

Und ich spulte die Kassette zurück und versuchte, in den Rest der Lyrics hineinzukriechen, zwei Mal, drei Mal, und kam immer wieder zu diesen Sätzen zurück, entzückt, verzückt, ver-rückt.

Dann ging ich baden, nackt, wofür man damals in Italien durchaus ins Gefängnis kommen konnte, spielte ein bisschen mit den Wellen, die waren gar nicht klein in dieser Nacht, aber das Meer und ich, wir waren alte Freunde. Und als wir genug gespielt hatten, schwamm ich wieder an Land, zog mich an, und saß ganz still, während ich auf eine Leerkassette eine halbe Stunde dieses Wellenrauschens aufnahm, während in meinem Kopf weiter die Musik spielte, immer wieder diese beiden Sätze tanzten, und die Kassette mit dem Meeresrauschen, die liegt hier noch irgendwo herum.

Und weil man auch den unendlichsten Moment irgendwann zurücklassen muss, ging ich dann wieder nach oben, zu unserem Campingbus, vorbei am Lokal, wo noch immer gesoffen und gelacht wurde, immens fremde Wirklichkeit, und der, mit dem ich unterwegs war, wurde kurz wach, als ich ins Bett kroch, und sagte: „Deine Haare sind nass!“, und ich sagte: „Ja. Ich war schwimmen.“, und er fuhr hoch und fragte: „Bei diesen Wellen? Bist du verrückt?“, und ich sagte: „Wahrscheinlich.“, und dann sagte ich nichts mehr, erzählte nichts von der Musik, nichts von der Freundlichkeit der Wellen, nichts von dem Text und nichts von der immensen Wirklichkeit, die mich am Strand umfangen hatte, die so viel größer war als die Welt, die man kennt.

Danke, Lenny. Mach‘ gut.

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