Heilig ist heute gar nichts

24. Dezember 2021

Wache entsetzt aus einem dunklen Traum auf, in dem ich mit einem Freund einem dunklen Keller zu entkommen, der sich aus unerfindlichen Gründen mit Wasser füllt. Endlich eine Öffnung über uns, wir versuchen gegenseitig, einander hochzuhelfen, Blende: Der Radiosprecher erzählt, dass zwei Personen in einem Keller verschüttet wurden, von denen nur eine lebend gerettet werden konnte.

Frühstücke Joghurt und Kaffee und beschäftige mich dann mit dem Einräumen des Regals, jetzt, wo es endlich so steht wie es soll. Dazu hätte mir Fernsehberieselung gefallen, doch das erweist sich als unmöglich. Ich hatte nämlich vor einer Woche meinen Magenta-Vertrag umgestellt, von „Nur Internet + Internet-TV“ auf die Variante mit EntertainmentBox, doch die Box ist- trotz anderslautender Auskunft an der Bestell-Hotline – erst für 28. avisiert. Bei dpd-Lieferung nicht verwunderlich. Derweil hat mir Magenta allerdings schon das Internet-TV abgedreht. Natürlich könnt ich mir stattdessen Netflix, Amazon Prime Videos, Youtube und noch einen Haufen anderes Zeugs an die Wand werfen, aber es gibt so Tage, da ist mir einfach nach linearem TV. Die Hotline ruft nach 40 Minuten zurück, mit eisernem Desinteresse. Ob ich schon versucht hätte, mein Passwort zu resetten. Oder das Modem neu zu starten. Wie sie denn glaube, dass das mein Problem lösen soll, frage ich. Sie seufzt demonstrativ, tippt etwas auf ihrer Tastatur und erzählt mir dann, dass Internet-TV halt nicht aktiv ist in meinem Account. Also genau das, was ich ihr vorher erzählt habe. Ich würde es gerne wieder aktivieren, sage ich. Das geht nicht, sagt sie, das geht nur über die andere Hotline. Aber ich habe es vor eineinhalb Jahren genau über diese Hotline aktiviert, sage ich. Nein, sagt sie, das geht nicht. Nach 20 Sekunden fassungsloser Stille meinerseits wünscht sie mir „schöne Feiertage“ und legt auf.

Nun mag es ja durchaus sein, dass Magenta die Abläufe geändert hat und dass das jetzt wirklich nicht mehr geht, aber mehr als die Abwesenheit meines Fernsehstreams ärgert mich ihr Tonfall, der bei jedem Satz nach „ihr Problem interessiert mich einen Scheißdreck“ klingt. Aber es hilft ja nix. TV-Konservenkonsum bis Montag.

Ich brauche ein Weilchen, um mich von diesem Gespräch zu erholen. Derweil stelle ich die Maroni auf den Herd, die ich im Affekt gekauft habe, und räume weiter rum. Es ist 13:03, als ich feststelle, dass das vielleicht doch etwas viele Maroni zum so-naschen sind, und dass man mit etwas Schlagobers ja auch Maronireis machen könnte, der in den nächsten Tagen sicher dankbare Abnehmer fände. Ein Blick ins Internet zeigt, dass Billa und Hofer zwar schon zu haben, der Spar aber bis 14 Uhr offen hält. 15 Minuten später stelle ich fest, dass das Internet unrecht hat: Auch beim Spar sind die Türen fest verschlossen. Das regt mich nun nicht mehr auf, war ja nur eine Idee. Ganz im Gegensatz zu dem Herren, der aus der anderen Richtung kommt und vor dem Supermarkt-Eingang einen fremdsprachigen Monolog in schreiendem Tonfall hält. Aber deswegen werden sie auch nicht mehr aufsperren.

Ich nutze die Gelegenheit, gleich ein paar Schritte zu machen. Zum Fotografieren fällt mir nichts auf, es nieselregnet, die Straßen sind leer und selbst die Weihnachtslichter an Fenstern und Balkonen der Wohnsilos ringsum wirken depressiv bis deprimierend. Beim Heimkommen immerhin gleich zwei Mal Literatur im Postkastl.

Nach der Rückkehr schäle ich die Maroni, nasche ein paar davon, räume noch ein bisschen und spiele dann eine Runde Dorfromantik, ein ziemlich einfaches Spiel, dass einen doch irgendwie in den Bann zieht.

Das Bier des Tages

In der Nase bietet „Death by Coconut“ wenig, gerade einmal ein Haucherl von Kokosnuss, als wäre man an jemandem vorbeigelaufen, der sich vor einiger Zeit mit Kokos-parfümierter Sonnencreme eingeschmiert hat. Das „Irish Style Porter Brewed with Coconuts and Chocolate“ aus der Oskar Blues Brewery (Texas) entwickelt erst auf der Zunge das versprochene Aroma. Kokos in sanft und süßlich, im Gegenspiel dunkle, fast erdige Schokoladenoten, so, dass man nicht weiß, ob das Bittere Schoko- oder doch eher Hopfennoten sind. Dahinter eine kräftige, aber mir nicht unangenehme Säure (also wohl eher keine Milchsäure, die stört mich nämlich). Woher die kommt, lässt sich nicht eruieren, weil die Dose keine Inhaltsstoffe listet. Sehr ungewohnt. Im Weiterkosten stellt sich nach und nach ein Rumkugel-Aroma ein. Die Kohlensäure fällt für ein Porter recht kräftig aus. Insgesamt ist Geschmackskomposition gelungen rund, schade, dass es im Abgang ebenso blitzschnell weg ist, wie es vorne ankommt.

Zu trinken im Daunenwanderschlafsack auf einem nicht allzu alpinen Schneefeld, während man darüber sinniert, warum zum Teufel man nicht stattdessen in die Südsee gefahren ist.

Bier-Übersicht

Geplant war heute ein Lachs mit Butterkartofferln, doch nach den Aufräumarbeiten und ausführlichen Weihnachtstelefonaten bin ich so hungrig, dass ich keine Lust mehr habe, auf die Kartoffeln zu warten. Ich hau mir stattdessen ein Ei in die Pfanne und ergänze mit kaltem Buffet, das eigentlich für Frühstück morgen gedacht war, aber morgen früh kann ich ja stattdessen den Lachs essen.

Das Klavier, das von irgendwo schräg über mir immer wieder einmal den Abend durchkünstlert, spielt heute zum ersten Mal keine Klassik, sondern „As Time Goes By“, und als ich später FM4 aufdrehe, um den Ohrwurm wieder loszuwerden, läuft „Little Drummer Boy“. Um ein bissl Sentimentalität kommt man am 24. wohl nicht herum.

Danach werfe ich einen Blick in die neue Literaturzeitschrift. Mich freut der Name, Litrobona, das Motto der ersten Ausgabe – Austro-Pilot – freut mich gleich doppelt, weil erstens Flieger und zweitens schönes Wortspiel auf die Pilot-Ausgabe. Das Heft ist zudem schön gestaltet, und lässt beim durchblättern feine Texte erwarten, aber weil ich noch ein bisschen stricken will, freut mich heute besonders, dass es auch eine Audio-Ausgabe gibt.

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