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Der seltsame Traum einer seltsamen Chronistin

9. Februar 2005

Heute früh nach dem Aufstehen festgestellt, dass ich gar keine Lust hatte auf diesen ersten Kaffee. Beim Öffnen der Jalousien gedacht, dass es jetzt doch wieder einmal regnen könnte. Oder schneien.

Nach diesen beiden Chronistin-untypischen Gedanken erstmal mich und die Wohnung nach Spuren von Außerirdischen abgesucht. Keine gefunden. Überlegt, diese Seltsamkeiten gleich hier rein zu schreiben, auch dazu keine Lust gehabt. Daran gedacht, das Dagbok ganz zu schließen. Beschlossen, nichts zu übereilen.

Etwas beunruhigt über mich selbst an die Arbeit gegangen.

Später den Traum erinnert, in dem der Herr Sufi und ich mit einem Schiff irgendwo anlegen, wo wir gar nicht hinwollten. Na, ich zumindest nicht. Korea vielleicht, aber eher noch irgendwo im Vietnam-Kambodscha-Eck, Laos dagegen kann es nicht gewesen sein, das liegt ja nicht am Meer. Beschlossen, dass man so einen Traum nicht ungeschrieben lassen kann, und dass daher das Dagbok stehen bleiben muss. Für diesmal.

Jedenfalls landeten wir – in dem Traum – in einer Bucht mit hohen Bergen drumherum. Also keine 3000er, sondern das, was man auf Meereshöhe mit freiem Auge hoch findet, 3-400m vielleicht, mit ziemlich steilen – wenn auch sehr grünen – Hängen.

Ich wollte sofort mit dem Sufi die Straße hinauf gehen, oben am Kamm sah man Häuser, Geschäfte, wäre doch hochinteressant. Der Sufi lehnte ab, er wollte erst helfen, das Großraumzelt aufzubauen. Einer Reiseleitung, die einen Dampfer nicht einmal ins gebuchte Reiseland navigieren kann, wäre der Aufbau von so einem Zelt ganz sicher nicht zuzutrauen, meinte er. Ich dagegen vermutete, der Sufi selbst hätte den Kapitän dazu überredet, vom ursprünglichen Plan anzuweichen. Aber den Gedanken behielt ich für mich.

Ich ging also allein. Oben im Dorf herrschte große Aufregung. Heute könnte man hier zum ersten Mal in der Geschichte Waren aus Plastik kaufen, erklärte mir ein Mann mit Regenschirm, der auch sonst ganz so aussah, als hätten ihn die Briten bei der Kolonialisierung vergessen. (Dass in dieser Gegend tatsächlich eher die Franzosen zugange waren, wollen wir meinem Unterbewusstsein für diesmal nachsehen.)

Plastikeimer und -wannen gingen jedenfalls weg wie die warmen Semmeln. Sehr glücklich schwenkten mehrere Frauen (Männer sah man kaum) auch grüne Flaschen mit gelber Aufschrift, die offensichtlich eine Art Reinigungsmittel enthielten.

Ich ging weiter, das war eigentlich eine Stadt, da oben. In einem Mittelding aus Spielwarenladen und Bibliothek schaute ich mir die Dinge an, die auslagen – es war ein bisschen wie damals im Ostblock, schmuddelig grau, mit wenigen verstaubten Waren – und griff nach einem Holzpuzzle.

Das sollte ich keineswegs kaufen, warnte mich ein kleiner blonder Bub, der am Fenster saß. Damit könne man gar nicht spielen, das wäre sofort kaputt. Ich musste zweimal hinhören, um mich zu vergewissern, dass er wirklich deutsch sprach. Eine ebenfalls blonde Frau kam gelaufen und fragte, ob es ein Problem gäbe. Nein, sagte ich, es wäre nur sehr unerwartet, hier jetzt deutsch zu hören. Sie lachte, erklärte aber nichts.

Sie nahm den Jungen bei der Hand, der “Mama” zu ihr sagte, und wir gingen gemeinsam durch die Stadt. Sie zeigte mir dieses und jenes, die Wohnboote auf dem Fluss, den Markt, und wollte mich dann zum Essen einladen. Ich aber wollte wieder zurück zum Schiff, bevor sich jemand sorgte. Sie zeigte mir noch, wo sie wohnte. Telefone gibt es hier noch nicht, sagte sie.

Unten in der Bucht war das Zelt aufgebaut, ein riesiges Armeezelt, in dem es nach nassen Pferden roch. Ich fragte, warum man in dieser düsteren Bucht in dem dreckigen Zelt schlafen sollte und nicht oben in der Stadt oder wenigstens in den Dampferkabinen. Den Leuten in der Stadt sei nicht zu trauen, sagte der Kapitän, und der Dampfer müsste gereinigt werden.

Der Sufi hatte unterdessen schon Vorräte besorgt und teilte die Leute zum Kochen ein. Ich bekam eine riesige Schüssel mit gelbem Brei, den ich rühren sollte. Während ich rührte, warfen Kinder von den Hängen immer wieder kleine gebackene Gegenstände herunter. Sie versuchten, auf meine Schüssel zu zielen, und ich versuchte, auszuweichen. Wir lachten viel. Zum Schluss hatte ich einen kleinen Haufen gebackener Dinge neben mir liegen, und der Brei war noch immer nicht gut gerührt.

Ich drückte die Schüssel dem Kapitän in die Hand und knabberte stattdessen an den Wurfgegenständen. Dann wurde ich müde und nahm eine Decke vom Stapel, die auch nicht gut roch. Ich schlief. Als ich erwachte (und es war –  wie immer – sehr seltsam, im Traum zu erwachen), stand ein riesiger Mond über dem Zelt und alle anderen schliefen. Ich zog die Decke weg und sah, dass mir am ganzen Körper lange schwarze Haare wuchsen.

Ich fand das eigentlich schön, es war ein angenehmes Gefühl, aber eine Frau, die ebenfallls erwacht war, sah mich und hörte nicht mehr auf zu schreien. Ich strich mir über die Arme und merkte, dass die Haare ganz leicht ausgingen. Es tat nicht weh, kribbelte nur ein bisschen. Ich streifte also die Haare ab, und als sie in einem großen, lockeren Haufen neben mir lagen, strickte ich eine Jacke daraus.

Der Sufi fand die Jacke hübsch, bemerkte aber, dass sie komisch roch. Das ist nur, weil ich unter der dreckigen Decke geschlafen habe, sagte ich. Insgeheim hoffte ich, die Haare würden ab und zu nachwachsen.

Wir gingen wieder an Bord des Dampfers, ohne das Zelt abzubauen. Zu Hause wartete ein neues altes Büro, das sie in meiner Abwesenheit umgebaut hatten. Ein alter Chef von mir rief mich zu sich und meinte, er sei sehr enttäuscht von mir. Ich dachte, es ginge um die lange Abwesenheit, aber er beschwerte sich nur, dass ich die Petition gegen Graffiti in den neuen Toilettenanlagen nicht unterschrieben hatte. So eine Toilette sei schließlich das Aushängeschild einer Firma, was sollten denn die Kunden denken?

Ich versprach, darüber nachzudenken, und schaute mir die neuen Büros an. Uralte Bildschirme standen auf winzigen Schreibtischen, ohne Ablagefläche, ohne Schreibtischlampen. So kann man doch nicht arbeiten, sagte ich. Ein Kollege las mir eine Studie vor, die nachwies, dass das Arbeiten am Computer nur bei Tageslicht und mit den alten Bildschirmen zumutbar sei, alles andere wäre gesundheitsschädlich.

Ich suchte mein Gerät, erkannte es anhand des Bildschirmschoners, und fand als erstes eine Nachricht von der Frau mit dem Jungen. Der Junge sei sehr traurig, weil ich die beiden nicht mehr besucht hatte. Ich wollte antworten und mich entschuldigen, doch da kam der Chef wieder. Ob ich mir das schon angeschaut hätte, mit den Toiletten.

Er zeigte mir den Bereich, der vom Büro nur durch einen Duschvorhang getrennt war. jemand hatte auf die Fliesenwand ein riesiges Bild von einem Vulkanausbruch gemalt. Ich fand es sehr hübsch.

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