Denk-Sonntag

25. Juli 2021

Schon wieder am Ausschlafen gehindert, diesmal ist es der Nachbar von gegenüber, der lauthals in einer slawischen Sprache telefoniert, als müsste er die Distanz ganz ohne Technik alleine mit seiner Stimme überbrücken.

Ein bisschen Umzugsvorbereitung in der Küche, dann in einer Freundeswohnung wegen dessen Sommerfrische nach dem rechten gesehen, ja, der Stromschalter hat das Gewitter überstanden. Blumen gegossen, Post ausgehoben, sowas halt.

Dann in die neue Wohnung, zu tun gibt es da gerade nicht viel, aber den Herd auf seine Einsätze vorbereitet; eine Stunde lang soll man das Backrohr leer heizen, na gut. Lese derweil „Verschüttete Milch“ von Barbara Frischmuth, endlich wieder ein richtiges Lese-Buch.

Dazwischen stehe ich im Badezimmer und werde verwegen: Warum ist da so eine riesige Duschkabine, wo doch locker eine Badewanne hinpassen würde? Ein Gedanke, der mich nicht mehr loslässt, bittschön, erst die Basics, aber vielleicht nächstes Jahr…

Dann, nachdem ich drei Mal kontrolliert habe, dass der Herd eh wieder aus ist, ein paar Runden durch die nähere Umgebung. Hab ich zwar schon gemacht, aber nicht mit dem Fokus auf Lokalen oder Cafés. Viel sehe ich da nicht außer Kebab-Ständen, aber vielleicht findet sich ja noch der eine oder andere Geheimtipp.

In einem Park der Duft von sommerheißen Föhren, Skandinavienerinnerung und das gleiche schlagartige Fernweh wie von den Instagramfotos mit Meerblick, durch die ich in der Früh gescrollt habe.

In der Stadt ist es jedenfalls schon wieder ungut schweins-schwül, und zum ersten Mal seit Pandemie-Beginn (wenn ich nichts überhört habe) ziehen oben die Airliner im Minutentakt herein. Ich bin gleichzeitig gut drauf und seltsam unlustig, selbst auf der Favoritenstraße will mein steigendes Hüngerchen keinen Hafen finden. Begnüge mich schließlich mit einem Fishmac und erreiche dann mit 14000 Schritten mein altes Elfenbeintürmchen, wo die Luft trotz Durchzugsöffnung heiß und unerbittlich steht.

Das Bier des Tages

Das Pineapple Express IPA von Tiny Rebel duftet beim Öffnen vor allem nach Ananas. Die ist auch im Antrunk schmeckbar, dazu kommen sehr feinharmonisch Zitrus- und Hopfennoten und eine sanfte Hefe, die sich schön an den Hopfen schmiegt. Sehr milde, großperlige Kohlensäure. Geschmacklich sehr gerade und ehrlich, keine versteckten Noten, die man mit der Zunge suchen muss. Im Ansatz richtig sympathisch, aber zum IPA-Glück fehlt ein raffinierteres Hopfenspiel, zum perfekten Sommerdrink bräuchte es (viel) mehr Kohlensäure.

Zu trinken spätnachmittags an einem Flussufer, wenn die Strömung zu gefährlich zum Baden ist, und ein paar Fischer*innen 50 Meter weiter gerade ein Lagerfeuer entzünden.


Bier-Übersicht

Abends die Reste der gestrigen Schweinsmedaillons, dann schwedischer Krimi zu Seidenknäuel-Entwirrungen. Geht eine Zeitlang recht gut, doch dann treibt mich ein unlösbarer Knoten doch zur Schere. Mal sehen, wie groß das Teil ohne die verbleibenden Wirrungen wird, im schlimmsten Fall muss ich halt nochmals puzzeln.

Ein Blick vom Gang über die Stadt, in der (dunkel-)blauen Stunde: Letzte Dämmerung an einem wolkigen Abend, wolkig, grau in grau und warme Lichter aus den Häusern. Am Horizont zucken Blitze. Einen Moment lang fühlt es sich an, als läge die Stadt am Meer. Und ja, dieser Ausblick wird mir abgehen.

Derweil draußen wieder etwas Regen fällt, und drinnen der zukünftige Vorhang langsam zu wachsen beginnt, über Wahrnehmungen nachgedacht. Diese Unmittelbarkeit, die manchen Menschen eigen ist, ganz im Moment aufzugehen. Ohne die Fragen, die mich in jedem Augenblick begleiten: Wie hätte ich vor zehn Jahren über diese Entwicklung gedacht? Wie werde ich – wenn ich noch da bin – in zehn Jahren darüber denken? Wie würde ich darüber denken, wenn ich nicht selbst darin stecken würde? Mir wird nicht ganz klar, ob die Abwesenheit dieses für mich essentiellen „reality checks“ das Leben einfacher oder schwieriger machen würde.

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